Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Verwendung von Tracking-Cookies im Herbst vergangenen Jahres verursacht Kopfschmerzen bei Webseitenbetreibern und Marketern. Ist es das Ende des Online-Marketings, wie wir es bisher kannten? Gibt es ein Rezept, auf das Unternehmen setzen können, um auch künftig nah an ihrer Zielgruppe dran zu sein?
Der entscheidende Teil des EuGH-Urteils in aller Kürze: Voreingestellte Cookie-Zustimmungen, sogenannte Opt-out-Lösungen, seien nicht zulässig. Der Nutzer müsse aktiv zustimmen. Ein Brocken, an dem Content-Marketer schwer zu schlucken haben. Denn wer, so fragen sich nun viele, wird das schon freiwillig tun? Damit sind bisher erfolgreiche Online-Marketing-Strategien gefährdet, denn die meisten basieren nun mal auf Cookies nach klassischem „Rezept“ und den daraus gewonnenen Erkenntnissen. Ausgelöst wurde die Entscheidung des europäischen Gerichts durch eine Anfrage des Bundesgerichtshofes (BGH), der nun am 30. Januar 2020 darüber verhandelt hat. Eine rechtskräftige Entscheidung wurde bis jetzt nicht gefällt. Diese will der BGH nun aller Voraussicht nach am 28. Mai 2020 treffen.
Vorangekreuzt reicht nicht für die EU
Darum ging es: Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte 2013 gegen die Planet49 GmbH geklagt, einen Anbieter von Glücksspielen im Internet, der dabei auch Kundendaten für seine Werbepartner sammelte und weiterleitete. Der Bundesgerichtshof hatte sich vor einer Entscheidung dazu an die europäische Instanz gewandt, mit der Frage, wie die Einwilligung zu Cookies aussehen muss. Am 1. Oktober 2019 urteilte dann der EuGH, die von Planet49 damals verwendete Variante sei nicht zulässig. Denn das Häkchen, mit dem die Einwilligung zu plattformübergreifenden Tracking-Cookies gegeben wurde, war bereits voreingestellt. Ein Nutzer, der dies nicht wollte, hätte es entfernen müssen – wie bei anderen Opt-out-Lösungen. Es müsse anders herum sein, so das Gericht: Nutzer müssten aktiv zustimmen – Opt-in.
Telemediengesetz: In Deutschland reicht Opt-out – noch
Das EuGH-Urteil wurde anschließend von vielen Fachleuten diskutiert – von Juristen, Datenschützern und in der Marketingbranche. Denn es beantwortete zwar eine Frage, warf aber noch mehr auf. Das Gericht bezog sich auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie auf europäische Richtlinien zur elektronischen Kommunikation und zum Datenschutz. Europäische Richtlinien müssen jedoch erst in nationales Recht umgesetzt werden – was nur teilweise geschah. Nach dem deutschen Telemediengesetz (TMG) ist eine Opt-out-Lösung zulässig.
Viele deutsche Webseiten setzen aktuell auf Opt-out. Und solange Deutschland sein TMG nicht ändere, sei die Praxis zulässig, sind sich praktisch alle einig. Eine rechtliche Grauzone aufgrund einer in Internetdingen sehr trägen Gesetzgebung also, die es erlaubt, noch ein bisschen weiterzumachen wie bisher. Spätestens das europäische Gesetz zur E-Privacy wird dies ändern. Es verschiebt sich allerdings immer wieder, zuletzt war die Rede davon, dass es 2022 kommen wird. Ursprünglich sollte es schon 2018 in Kraft treten.
Welche Cookies sind in Zukunft noch zustimmungsfrei?
Worauf müssen sich Webseitenbetreiber und Marketer dabei einstellen? Nach dem vorliegenden Entwurf darf man davon ausgehen, dass es auch in Zukunft ohne Erlaubnis möglich sein wird, jene Cookies zu setzen, die für das Funktionieren einer Seite notwendig sind – Spracheinstellungen, Login-Daten, die für einen Warenkorb beispielsweise. Wo genau die Grenze gezogen wird, wird sich zeigen. Klar ist, dass jegliche Tracking-Cookies, sei es zu Analyse- oder Werbezwecken, zustimmungspflichtig sein werden. Das EuGH-Urteil zu Planet 49 zeigte dabei schon einmal auf, dass Lösungen, die die Trägheit der Leute durch voreingestellte Häkchen ausnutzen, nicht akzeptabel sein werden. Die Kunst wird sein, dafür eine Form zu finden, die den Nutzer korrekt informiert, aber nicht abschreckt. Außerdem muss sichergestellt sein, dass diese Cookies tatsächlich erst nach der Zustimmung gesetzt werden. Es gibt bereits Anbieter, die Lösungen für solche EU-konformen Cookie-Banner oder Pop-Ups haben.
Das Kopplungsverbot
Noch unklar ist, inwieweit ein Anbieter den Zugang zu seiner Seite von der Zustimmung zu Cookies abhängig machen darf – das „Kopplungsverbot“ der DSGVO lässt grüßen. Schließlich finanzieren sich viele Seiten durch Online-Werbung in der einen oder anderen Form. Ihr Geschäftsmodell steht und fällt mit dem Erfolg der Werbetreibenden. Die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ bietet seinen Lesern inzwischen beispielsweise ein spezielles Abo ohne Tracking und Werbung an – die Alternative „Geld oder Daten“ wird hier klar benannt. Es dürfte allerdings inzwischen jedem halbwegs informierten Leser klar sein, dass die weitverbreitete Umsonst-Kultur im Internet sich auch nur dank Werbung halten kann.
Ohne Cookie wird es schwer…
Wie groß wird der geschäftliche Schaden sein, wenn Retargeting und Programmatic Advertising kaum mehr eingesetzt werden dürfen? Ohne Cookies funktionieren diese geschätzten Formen personalisierter digitaler Werbung nicht. Möglicherweise werden noch mehr Marketer auf Social Media setzen, denn diese Plattformen können und dürfen immer noch sehr gut filtern – die Nutzer erteilen die Einwilligung dazu bei der Anmeldung bis zu einem gewissen Grad. Dieses Thema ist jedoch zu umfangreich, um in diesem Rahmen mit behandelt zu werden. Problematisch wird es auch, aussagekräftige Analysen aus den Daten von Webseitennutzern zu erstellen, wenn die Grundlage dafür immer kleiner wird. Aktuell müssen sich Webseitenbetreiber darauf einstellen, dass genauer betrachtet wird, ob Google Analytics bei ihnen rechtskonform eingebunden ist.
Gute Content-Marketing-Ideen gesucht?
Auch Browser wollen nicht mehr (so viel) tracken
Es sind nicht nur die Gesetzgeber, die das Geschäft erschweren: Auch die Web-Browser Firefox, Safari und Chrome versprechen ihren Nutzern inzwischen mehr Privatsphäre durch weniger Tracking. Insbesondere Third-Party-Cookies werden dort geblockt. Es kann allerdings nur eine Übergangslösung sein, die Informationen stattdessen in einem First-Party-Cookie unterzubringen. Denn auch diese sind zustimmungspflichtig, sobald sie über das rein funktionale Niveau hinaus gehen.
Alternativen ohne Cookies
Doch es wird auch nach echten Alternativen gesucht. Die Einen finden ihre Zielgruppen im Internet nun nicht mehr unter Einsatz von Cookies, sondern mit der Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI). Dabei werden Werbemittel und Zielseiten verglichen. Damit bleiben Seitenanbieter und Werbetreibende auf der sicheren Seite, auch mit Blick auf die DSGVO. Die Anderen nutzen die auslaufende Cookie-Ära noch, um alternative Methoden zu verbessern und Ergebnisse abzugleichen. Der internationale Wirtschaftsverband der Online-Werbebranche, IAB Tech Lab, plädiert für eine „Digitrust Universal ID“, die der Nutzer selbst kontrollieren kann, aber anonym bleibt. Die Browser-Marke Firefox will hier schon mal nicht mitspielen…
So oder so: Es hilft nicht, die Augen zu verschließen. Wer in Zukunft mit Online-Marketing weiter erfolgreich sein will, sollte sich auch mit „cookiefreien“ Lösungswegen befassen. Und verfolgen, wie sich die ePrivacy-Verordnung der EU entwickelt. Ob das Online-Marketing damit dann endgültig beerdigt wird, hängt davon ab, ob und welche Alternativen bis dahin zur Verfügung stehen.
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