Vor zwei Monaten schilderte uns Serviceplan-Geschäftsführer Ronald Focken die Lage in der Touristik-Branche und welch tragende Rolle Content Marketing dort allgemein einnimmt. Heute geht es um unser Lieblingsthema: Advertorials. Warum sie so gut sind, obwohl sich manche Marketing-Chefs (noch) mit ihnen schwertun.

Interview mit Ronald Focken (Serviceplan) über Advertorials – Airmotion Media

Airmotion Media: Hello again, Ronald. Beim letzten Mal sprachst Du davon, wie (Reise-)Content Marketing erfolgreich umgesetzt wird. Native Advertising kann hier einen wertvollen Beitrag leisten – was denkst Du?

Ronald Focken: Ja, hier kommt der große Vorteil von Content Marketing im Allgemeinen und Native Advertising im Speziellen ins Spiel: Man kann mit ihnen eine wirklich große Kommunikationsfläche anlegen und den vielfältigen User-Interessen entsprechend ausgestalten. Im Netz steht genügend Raum zur Verfügung, um ein Thema auszurollen und die Leser auch an werbliche Botschaften heranzuführen. Bei uns in der Saint-Elmo’s-Familie sind Native Articles und Native Teaser schon feste Themen. Wir gehen da in der Regel mit einem „Pull-Mechanismus“ vor. Das bedeutet, dass die Aussteuerung zunächst sehr breit erfolgt. Über die Teaser erhält der User Content-Angebote und entscheidet dann selbst, was für ihn relevant ist – und klickt. Bei uns festgehalten wird dann die Grundrichtung, in die sich der User thematisch orientiert hat. Dank dieser „freiwilligen Selbstauskunft“ sind die Folgeinhalte dann noch besser auf ihn zugeschnitten, die Streuverluste geringer.

 
Können hochwertige native Inhalte die Brücke schlagen zwischen der Befriedigung von Wissensdurst und der Verkaufsabsicht?

Hier kommt der Halo-Effekt ins Spiel. Zum einen strahlen die als qualitativ hochwertig bekannten Seiten des Publishers positiv auf die Werbung ab. Ein Beispiel die Touristik betreffend wäre hier etwa das Reise-Umfeld von geo.de. Wer dort Advertorials unterbringt, bringt schon eine gewisse Wertigkeit herüber. Das andere ist dann der Halo-Effekt des Contents: Wenn dieser zum Themenbereich passt, gute redaktionelle Qualität hat und wirklich informativen, unterhaltenden Mehrwert bietet, dann macht sich sowas schon positiv in Richtung Markensympathie und First Choice bemerkbar. Man ist einfach schon im entsprechenden, positiv wahrgenommenen Umfeld unterwegs. Von daher ist das schon eine ganz gute Sache. Allerdings bewegen wir uns mit Native-Kampagnen im Gegensatz zu klassischen Produktkampagnen noch eher am Anfang des Funnels. Wenn es also vorwiegend darum geht, dem Markt neue Interessenten zuzuführen, aber auch das Markenimage bei Bestandskunden positiv zu beeinflussen, dann ist Native ein großes Thema.

 
Kommt Dir hierzu vielleicht ein kleiner, schöner „Best Case“ in den Sinn?

Ein gutes Beispiel für gelungenes Native Advertising ist etwa die Seite von Hessen-Tourismus. Unter „Typisch Hessisch“ findet sich dort sehr spannender Content von und mit authentischen Einheimischen und lokalen Influencern, die interessante Geschichten aus Hessen erzählen – und damit Lust auf mehr machen.
 

„Wenn es darum geht, dem Markt neue Interessenten zuzuführen,
aber auch das Markenimage bei Bestandskunden positiv zu beeinflussen,
dann ist Native ein großes Thema.“

 
Wie haltet Ihr es mit Advertorials?

Was speziell Advertorials angeht, so machen wir oft kampagnenbegleitende Befragungen, um zu sehen, inwiefern wir den Content optimieren müssen – eben in Richtung Abverkauf oder eher in die andere Richtung. Insofern und um auf die Frage zurückzukommen, bewegen sich Advertorials immer mehr oder weniger zwischen der Befriedigung von Wissensdurst und der Verkaufsabsicht. Optimalerweise können sie beides in Kombination erreichen: Wissen vermitteln und dabei gleichzeitig verkaufen. Das ist ihre Zielsetzung.

 
Welche messbaren Erwartungen habt Ihr an die Leser von Advertorials? Auf welche Performance-Indikatoren schaut Ihr? 

Prinzipiell haben wir die Erwartung, dass wir den Lesern und Leserinnen das Gefühl geben, sie haben mit dem Lesen des Artikels etwas Spannendes für sich mitgenommen. Also entweder praktischen Nutzen oder Informationswert, vielleicht auch etwas Überraschendes. Und weil es ja auch um die Marke geht: Was heißt das für diese? Legt sie zu auf der Sympathieskala, verbessern sich ihre Bewertungen? Geht es in Richtung First Choice? Fährt ein Leser jetzt lieber dorthin als anderswo?
Die Verweildauer ist hier auf jeden Fall ein Thema. Und es gibt noch ein paar sekundäre Performance-Indikatoren, die für uns eine Rolle spielen. Aber im Kern geht es bei alledem einfach darum, wie intensiv sich der Nutzer mit dem Content beschäftigt. Dabei gibt es natürlich auch Störfaktoren zu berücksichtigen. Das Wetter zum Beispiel oder das genutzte Device. Oder inhaltlich-strukturelle Dinge, weil sie vielleicht zum Abbruch führten, wie zum Beispiel die Textlänge. Dann interessieren uns noch die Verlinkungen, die nicht genutzt werden – genauso wie die, die schon genutzt werden. Advertorials sind für uns jedenfalls kein Produkt, dass sich mit klassischen KPIs messen lässt oder messen lassen sollte. Leads in Form von Newsletter-Anmeldungen oder Buchungen in Form von Cost-per-Klick oder Cost-per-View sind hier nicht der passende Maßstab.

 
Nicht jeder, der sich „native“ über eine Destination informiert, bucht gleich. Ist das ein Problem?

Hundertprozentig weiß man nie, wann und warum genau derjenige kommt. Aber man merkt, dass bestimmte Destinationen oder Hotels im Zuge einer Content-Marketing-Kampagne auf einmal irgendein Momentum haben. Dass die Leute dahin wollen, weil dort irgendetwas Besonderes oder Angesagtes ist. Dass Redaktionen anfragen und darüber berichten möchten, was immer das auch sein mag. Das sind schon Dinge, bei denen man das Gefühl hat, da passiert jetzt etwas. Es sind auch bestimmte Themen wichtiger als früher, zu denen die Menschen erstmal Informationen suchen, anstatt „blind“ zu buchen. Dieses Bedürfnis kann das Tourismus-Marketing mit den entsprechenden Inhalten befriedigen.

 
Es gehört einiges dazu, um wirklich guten Content zu kreieren. Lohnt es sich, diesen Job an einen externen Partner zu geben?

Schwer zu sagen, ob man den Job aus der Hand geben sollte oder nicht. Das hängt in erster Linie von der Struktur des Unternehmens ab. Es macht einen Unterschied, ob es ein Reiseveranstalter ist oder ein Hotel oder eine Destination. Dann ist es natürlich auch eine Frage der Kapazitäten. Grundsätzlich geht natürlich beides: Man kann es an Agenturen auslagern oder an andere Dienstleister, für manches gibt es auch kleinere Spezial-Dienstleister. Man kann auch alles selbst machen. Letztendlich muss jeder überlegen, was die richtige Version ist zur eigenen Kapazitäten-Planung passt. Wichtig ist vor allem auch die Erwartungshaltung: Was will ich erreichen? Wieviel Reichweite? Wie groß soll das Ganze sein? Gerade kleinere Destinationen oder auch einige Hotels können sich keine großen Marketingagenturen leisten. Da ist es ein probates Mittel, ein oder zwei Leute zu haben, die sich um das meiste kümmern, ob freiberuflich oder festangestellt.

 
Auf was sollte ein Kunde bei der Personal- oder Partnerwahl achten?

Sonnenklar ist: Für all die contentorientierten Themen braucht man das Know-how, was in der Region passiert. Man muss es beurteilen und richtig einordnen können. Außerdem ist der Zugang zu Markt, Land und Leuten wichtig – nicht nur um gute Geschichten zu schreiben, sondern um überhaupt von ihnen zu erfahren. Und überhaupt braucht es Gespür und Wissen, um zu erkennen, was eine gute Geschichte sein könnte. Auch eine Agentur, die solche Tätigkeiten übernimmt, kommt um all das nicht herum. Man muss vor Ort sein oder einen engen Draht zu den Leuten haben. Etwas konkreter ausgedrückt: Eine Agentur muss Teil des Marktes sein oder zumindest Leute in der Agentur haben, die Teil des Marktes sind und die auch wissen, was dort passiert, welche Geschichten dort gerade interessant sind und wen sie dazu anrufen können.

 
Werden sich Native-Advertising-Kampagnen und Advertorials auch in der Touristik fest etablieren?

Was es wirklich bringt, ist Storytelling. Das Thema ist mittlerweile, gerade bei Touristik, von hoher geschäftlicher Relevanz. So viel Geld kann man mit einer klassischen Kampagne gar nicht rausblasen, um den gleichen Erfolg zu haben. Dazu können Native Ads datenbasiert ausgespielt werden. Schon wegen dieses Vorteils sind sie jetzt schon ganz wesentlicher, fester Bestandteil von Tourismus-Kampagnen und werden es auch künftig sein. Auch zu den Themen Freiwilligkeit, Selbstselektion und ganzheitliche Wertschöpfung liefern Native Advertising und Advertorials einige Ansätze und Lösungen. Von daher bin ich davon überzeugt, dass sie sich etabliert haben und weiter ihren Weg gehen. Nicht umsonst bieten wir bestimmte integrierte „Media und Content“-Pakete an. Oder auch die Abrechnungsmodelle, die daher stammen und leistungsorientiert sind, wie „Cost per Leser“ oder „Cost per Hörer“. Diese verringern das Risiko für den Kunden und zielen rein auf die Performance ab. Solche Kampagnen setzen aber voraus, dass beide Seiten, also Kunde und Agentur, an denselben Themen arbeiten bei Media und Content und gemeinsam die Dinge in Angriff nehmen. Sie müssen die Systeme dahinter aufeinander abstimmen.
 

„Was es wirklich bringt, ist Storytelling.
So viel Geld kann man mit einer klassischen Kampagne gar nicht rausblasen,
um den gleichen Erfolg zu haben.“

 
Womit wir bei den Schwächen oder zumindest Risiken von Content Marketing & Co. wären.

Genau, wir kennen das ja: Es gibt viele Kunden, die erstellen Unmengen von Content, den am Schluss keiner nutzt. Das hilft natürlich nichts. Man muss schon sehen, was ist wirklich relevant? Was kommt dabei wirklich raus? Wenn solche Sachen nicht richtig funktionieren, liegt es entscheidend oft an den unterschiedlichen Arbeitsweisen von Pressestelle und Corporate Marketing. Erstere hat eine News, macht eine Pressenotiz dazu und gibt sie raus – schließlich ist es ja ihr Job, Neuigkeiten zu verbreiten. Den Marketing-Chef wiederum interessiert dagegen vielmehr, wie es gelingt die Leute dazu zu bekommen, sich mit einem Thema oder einer Werbebotschaft auseinanderzusetzen. Für ihn ist die Customer Experience im Vordergrund, das, was der User von der Werbebotschaft mitnimmt.
Für den einen zählt also eher das Senden an sich, der andere achtet mehr auf die Reaktion und optimiert. Ein Journalist oder Pressemann, der recherchiert, baut seine Story zusammen und bringt sie unters Volk. Als Content Marketer muss ich das auch machen, aber werde dann hundertprozentig von irgendeinem Vertriebschef gefragt: „Ich habe nun einige Millionen investiert – was ist denn dabei rausgekommen? Sind die Produkte verkauft worden? Habe ich dadurch mehr Traffic auf der Webseite gehabt?“ etc. Diese Mechanik Response/Optimierung ist hier ganz anders ausgeprägt. Pressestelle und Marketing haben sind zwei unterschiedliche Arten zu Denken. Weder die eine, noch die andere ist falsch oder richtig. Aber das zeigt, warum so häufig Content draußen ist, der eigentlich nicht so genutzt wird, wie er genutzt werden könnte bzw. nicht so optimiert wird, wie er optimiert werden könnte, um noch bessere Ergebnisse zu erzielen.

 
Sollten dann nicht besser die Ressorts Pressearbeit und Marketing zusammengelegt werden?

Naja, viele Marketingabteilungen werden mittlerweile auch als Presseverantwortliche geführt. Das läuft aber auch nicht immer automatisch besser. Den Presseleuten fehlt einfach das Marketing-Knowhow und den Marketingleuten fehlt oft das Gespür, wie eine Story gemacht und unter die unter die Leute gebracht wird. Es sind einfach zwei – wenn auch nicht komplett – unterschiedliche Themenbereiche.

 
Ronald, einmal mehr danken wir Dir herzlich für das spannende Interview!

 
Ronald Focken im 2. Interview bei Airmotion Media: zur Person

Zur Person:

Ronald Focken, geboren 1962 in Delmenhorst, startete seine Laufbahn in der Werbebranche als Kundenberater bei der FCB Gruppe und bei Economia in Hamburg. Nach einer Station bei Scholz & Friends ist Focken seit 1990 bei der Serviceplan Gruppe in München tätig. Er ist Gesellschafter in diversen Serviceplan-Agenturen und seit dem Jahr 2002 in der Geschäftsführung der Holding. Dort zeichnet er unter anderem für die Bereiche Global Business Development sowie Consulting verantwortlich. An European Business School lehrt Ronald Focken als Gastdozent. Als Referent ist er mit Vorträgen zu Themen wie „Effizienzmessung in der Marketingkommunikation“, „Mehr Medien, mehr Internet und die Konsequenzen für Ihre Kommunikation“ oder „Die Zukunft der Kommunikation“ gefragter Redner. Er befasst sich besonders mit den Herausforderungen und Auswirkungen rund um die digitalen Transformationsprozesse in Unternehmen und Agenturen sowie mit dem Thema New Work.

 

© alle Fotos: Serviceplan Group

 

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